In der Ausgabe 1/2021 der sehr verdienstvollen Zeitschrift Information Philosophie (Link), die umfassend über aktuelle Entwicklungen innerhalb der deutschsprachigen Philosophie informiert, durften wir diese Selbstdarstellung publizieren, die unser augenblickliches Selbstverständnis sehr gut auf den Punkt bringt.
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Die „Halkyonische Assoziation für radikale Philosophie (HARP)“ ist ein seit 2014 bestehender informeller Zusammenschluss von Philosophie-Interessierten und seit Anfang 2019 ein eingetragener gemeinnütziger Verein zum Zweck der Förderung der Philosophie. Die HARP war bis etwa 2017 vor allem in Frankfurt a. M. aktiv, seither hat sich der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf Leipzig verlagert.
Was beinhaltet das eigentümliche Wort „halkyonisch“? Übersetzt bedeutet das aus dem Altgriechischen abgeleitete Adjektiv ‚eisvöglerisch‘ bzw., ganz wörtlich, ‚auf-dem-Meer-brütlerisch‘. Die alten Griechen gingen nämlich seltsamerweise davon aus, dass der Hal-kyon auf dem Meer brütet. Das impliziert, dass der Eisvogel nur dann brüten kann, wenn die See besonders ruhig ist. Entsprechend spricht Nietzsche in einigen Texten von einer „halkyonischen Stimmung“ als eines über dem Leben stehenden Froh- und Leichtsinns, aus der heraus er philosophiere. In diesem Sinne möchte die HARP aus einem nietzscheanisch-freigeistigen „Pathos der Distanz“ heraus über sich der Philosophie aktuell darbietende Fragen reflektieren und zur Förderung einer solchen Reflexion beitragen. „Radikal“ ist eine solche Reflexion, sofern sie, wiederum dem ursprünglichen Sinn des Wortes entsprechend, den Dingen an die Wurzel geht und auch grundsätzliche Infragestellungen der herrschenden Doxa nicht scheut.
Nietzsche und sein Konzept einer „fröhlichen Wissenschaft“ bildet einen wesentlichen Bezugspunkt der Arbeit der HARP. Die Gesellschaft widmete sich in der Vergangenheit jedoch auch zahlreichen anderen Denkern wie Karl Marx, Ernst Bloch, Gustav Landauer und Peter Sloterdijk. Wichtig ist ihr dabei, aktuelle gesellschaftliche Fragen aufzugreifen und ihnen eine neue, radikale Wendung zu geben und damit auch in den allgemeinen Diskurs zurückzuwirken und Debatten anzustoßen. So befassten sie sich etwa mit Themen wie Kapitalismuskritik, Identität, personaler Authentizität, Meinungsfreiheit und der Corona-Krise. Geplant ist, auf Youtube eine Diskussionsreihe ausrichten, die sich aktuellen Problemen linker Politik aus einer dezidiert philosophischen Perspektive widmet.
In den letzten Jahren wurden einige Lesekreise, Vorträge und größere Workshops und Festivals organisiert und zugleich wird ein eigenen Philosophieblog betrieben. Durch die Corona-Krise forciert ist die Assoziation auch auf Youtube präsent. Seit Kurzem wird eine eigene Schriftenreihe herausgegeben, die Edition Halkyon, deren erster Band die erste deutsche Übersetzung von Francis Fukuyamas Essay The End of History? aus dem Sommer 1989 ist, besorgt von Alexander Görlitz und Paul Stephan. In dieser Schriftenreihe sollen vor allem Texte publiziert werden, die es aufgrund der üblichen Konventionen schwer haben, einen rechten Ort zu finden, weil sie für einen Aufsatz zu lang, für eine Monographie zu kurz sind.
Das Herzstück der Arbeit ist jedoch die Philosophiezeitschrift Narthex. Heft für radikales Denken. Auch der Titel dieser Zeitschrift bezieht sich wiederum auf die antike Mythologie, nämlich den prometheischen Feuerraub, der einer Version der Sage nach mit Hilfe eines Stängels des Narthex, also des Riesenfenchels, erfolgte. Es geht darum, das Emanzipationsprojekt des Titanen im Sinne einer selbstreflexiven Aufklärung, die über ihre eigenen Grundlagen und Schranken weiß, in die heutige Zeit zu tragen gleich einem olympischen Fackelträger. Die Zeitschrift erscheint demnächst zum sechsten Mal, die kommende Ausgabe wird sich dem Thema „Philosophische Perspektiven auf die DDR“ widmen. Das Heft beschäftigt sich einerseits mit dem historischen Rückblick auf die DDR und ihre Philosophie, andererseits wirft es aktualisierend die Frage auf, inwiefern die DDR und ihr Zusammenbruch für eine philosophische Reflexion der Gegenwart noch heute bedeutsam sein könnte. – Und auch das Thema für die siebte Ausgabe steht schon fest: die Apokalypse. Wie in den vergangenen beiden Ausgaben wird zu diesem Thema ein Essay-Preis ausgeschrieben, den „Eos-Preis für philosophische Essayistik“, in Kooperation mit der Gerhard-Thumm-Stiftung, bei dem man bis zu 500 € gewinnen kann.
Gegenüber anderen derartigen Vereinigungen zeichnet die HARP aus, dass sie
1.) strikt einer pluralistischen Haltung der Freigeistigkeit verpflichtet ist und auch widersprechende Positionen zulässt;
2) vor allem Positionen fördert, die sich jenseits des gesellschaftlichen Mainstreams bewegen und sich der Befragung der herrschenden Doxa widmen;
3) sich keinem einzelnen Philosophen oder einer bestimmten philosophischen Denkschule ausschließlich widmet;
4) sie sich um das Wirken der Philosophie in der Öffentlichkeit bemühen und die zunehmende Akademisierung als eher hinderlich für die freie philosophische Reflexion erachtet – ohne dass wir darum zugleich das philosophische Niveau durch eine ungebührliche Popularisierung oder eine Anbiederung an den Zeitgeist absenken wollen.