Hier redet kein „Prophet“, keiner jener schauerlichen Zwitter von Krankheit und Willen zur Macht, die man Religionsstifter nennt. Man muss vor Allem den Ton, der aus diesem Munde kommt, diesen halkyonischen Ton richtig hören, um dem Sinn seiner Weisheit nicht erbarmungswürdig Unrecht zu thun. „Die stillsten Worte sind es, welche den Sturm bringen, Gedanken, die mit Taubenfüssen kommen, lenken die Welt —“
(Friedrich Nietzsche, Ecce homo)
Die Halkyonische Assoziation für radikale Philosophie existiert – wir wollen es selbst kaum glauben – nun schon seit fünf Jahren: Am 16. Februar 2014 erfolgte gewissermaßen ihre ‚virtuelle Gründung‘ durch die Einrichtung unserer Internetseite, die sich seitdem – was das grundsätzliche Layout angeht – nicht wesentlich geändert hat. Hinzu kam nach etwa einem Jahr unser Blog – und am 25. 1. 2015 erschien zum ersten Mal unsere Zeitschrift Narthex. Heft für radikales Denken, die seitdem jährlich herauskam.
Zwischendurch organisierten wir soviele Vortragsveranstaltungen, Workshops und Lesekreise, dass wir sie an dieser Stelle kaum einzeln auflisten können (vgl. unsere Chronik, die das versucht). Ein ganz besonderer Höhepunkt war dabei das Philosophiefestival Das Eselsfest, das im August 2015 stattfand und im Jahr 2017 einmal fortgesetzt wurde. Es ging dabei jeweils darum, Philosophie, Kunst und Techno bzw. Punk in einen produktiven Dialog treten zu lassen.
Kurzum: Es waren fünf ereignis- und, wie wir hoffen, auch erkenntnisreiche Jahre, die wir am 10. März 2019 mit einer kleinen unserem Maskottchen, dem Eisvogel, gewidmeten Gala begehen wollen. Wie in der Vergangenheit wollen wir dabei die Philosophie nicht für sich stehen lassen, sondern mit anderen Formen des ‚Geistes‘ (ein hohes Wort!) wie Musik und Literatur in Verbindung bringen.
Alles soll sich dabei um unseren Leitbegriff des „Halkyonischen“ drehen, den wir selbst sowie zwei Nietzsche-Forscher aus ihrer je eigenen Perspektive erläutern werden. Das „Halkyonische“ bezeichnet bei Nietzsche eine Stimmung der Ruhe und geradezu Weltfremdheit. Nietzsche spricht dabei von einer höchsten Bejahung der Welt – was freilich nicht mit einer politischen oder moralischen Affirmation verwechselt werden darf, sondern eine ästhetisch-existentielle Grundhaltung bezeichnet; die Welt soll eben nicht als Teilnehmer, sondern als Zuschauer betrachtet werden. Die Bejahung soll so einen intensiveren Weltbezug ermöglichen als die hastige Verstricktheit, die eine solch umfassende Weltbejahung gerade verstellt. Das erscheint uns als ein geeignetes Bild für ein radikales gesellschaftskritisches Philosophieren, das gegenwärtig durch akademische, ökonomische oder politische Vereinnahmungsversuche der Philosophie massiv gefährdet wird. Vergleichbares gilt für die Kunst. Ähnlich gefährdet wie es, im ökologischen Sinne, der Eisvogel ist, der nur mehr in kleinen Reservaten zu überlegen vermag. Wo existieren solche Reservate heute noch und wie können wir sie erneuern, ausbauen und erweitern? Das soll eine der Grundfragen des Abends sein – nicht nur theoretisch, sondern auch in der Praxis selbst. (Vgl. hierzu auch den programmatischen Artikel von Paul Stephan in der zweiten Ausgabe der Narthex.)
Das Programm im Detail:
ab 14 Uhr 30: Einlass
15 Uhr: Vorstellung des Programms, der bisherigen und der künftigen Arbeit der HARP
16 Uhr: Lesung: Ein Dialog zwischen Dionysos und Apoll (Kajn Kokosknusper [Leipzig])
17 Uhr: Vortrag von Gary Shapiro (Richmond): The Halcyon and the Anthropocene: Nietzsche and the Question of Earth’s Future
The halcyon theme celebrates occasions of earthly joy, calm, and fecundity, of living well among the elements. The motif contributes an important perspective to Nietzsche’s project of formulating a new politics and aesthetics of the Earth. This talk asks whether that project, and its halcyonic vision, can address Earth’s growing crisis in the age now recognized as the Anthropocene.
18 Uhr: Vortrag von Corinna Schubert (Leipzig): Ein Intermezzo des Leicht-Sinns. Versuch über das Halkyonische
Zwischen Erschütterung und Pathos ein Atemholen. Abstandnehmen vom Ernst. Leichtigkeit.
Ausgehend von einem meteorologischen und einem zoologischen Phänomen werden im antiken Griechenland Mythen um die in einen Eisvogel verwandelte Alkyone gesponnen. Mal ist diese Metamorphose eine Strafe, mal eine Wohltat der Götter. Immer aber wird milde Sonne und Windstille für eine Zeit im Winter gewährt: die halkyonischen Tage.
Solche erlebte einst auch Friedrich Nietzsche in Nizza. Und weil für ihn erst aus der Aufmerksamkeit für Leib und Leben Philosophie wird, sind selbst Wettereinflüsse wert der Betrachtung. Sie werden transformiert in ein philosophisches Konzept, das als flüchtiger Moment des vollkommenen Glücks gerade das Schwerste nicht etwa vergisst, sondern „leicht nehmen“ lernt.
19 Uhr: Esels Alptraum, eine „antikapitalistische Jodelband“ aus Berlin
20 Uhr: Nietzsche & the Wagners (Leipzig) (Postpunk/Neofolk)
Link zur Facebook-Seite der Band
Der Auftritt von Nietzsche & the Wagners muss leider ausfallen. Wir suchen gegenwärtig nach Ersatz.
21 Uhr: Ausklang mit den DJs Romulus (Ambient) & Madnus (jeweils Leipzig)
Wir freuen uns über eine Spende am Eingang zwischen 4 und 6 €. Dafür gibt es (solange der Vorrat reicht) auch ein Glas Sekt und ein Freiexemplar der Narthex.
Gefördert von den Fachschaftsräten Soziologie, Politikwissenschaft und Kulturwissenschaften der Universität Leipzig.
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[…] dass die von ihr eingeladene Band Nietzsche and the Wagners nicht wie geplant bei der Gala zu ihrem 5. Geburtstag auftreten […]
[…] Stephans Vortrag anlässlich des 5-jährigen Bestehens der HARP zum Anhören. Die beiden anderen Theorievorträge von Gary Shapiro und Corinna Schubert werden in […]
[…] von Corinna Schubert und Gary Shapiro, die sich mit dem Motiv des Halkyonischen beschäftigen und an ihre Vorträge anlässlich unserer Gala zum 5-jährigen Bestehen der HARP […]